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- Bedürftige Eltern: Was einem Kind bei Elternunterhalt zum Leben verbleiben muss
Im Alter sind Eltern mehr und mehr auf die Fürsorge ihrer Kinder angewiesen, in manchen Fällen auch auf deren finanzielle Hilfe. Dieser Unterhalt ist jedoch nur zu leisten, soweit die Kinder überhaupt leistungsfähig sind. Im folgenden Fall war der Bundesgerichtshof (BGH) gefragt, ob ein Sohn mit rund 5.500 EUR im Monat als nicht leistungsfähig genug gilt, um einen Sozialhilfeträger zu entlasten.
Ein Sozialhilfeträger nahm einen Sohn aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2020 auf Elternunterhalt in Anspruch. Die Mutter des Sohns lebte in der vollstationären Pflegeeinrichtung. Der Sozialhilfeträger erbrachte im genannten Zeitraum Sozialhilfeleistungen von ca. 1.500 EUR monatlich. Der verheiratete Sohn hat zwei volljährige Kinder und wohnt im Eigenheim, sein Jahresbruttoeinkommen belief sich im Jahr 2020 auf gut 133.000 EUR. In erster und zweiter Instanz gewann der Sohn. Sein Bruttoeinkommen wurde um Steuern und Sozialabgaben, Unterhaltspflichten für eines der volljährigen Kinder, berufsbedingte Aufwendungen, Versicherungen sowie Altersvorsorgeaufwendungen bereinigt. So kam man auf ein Monatsnetto zwischen 5.500 EUR und 6.200 EUR. Damit sei der Sohn nach § 94 Abs. 1a Satz 1 und 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch nicht leistungsfähig.
Vor dem BGH wendete sich jedoch das Blatt. Das Angehörigen-Entlastungsgesetz hat die Einkommensgrenze, ab der Kinder für den Unterhalt ihrer pflegebedürftigen Eltern herangezogen werden können, zwar auf 100.000 EUR Jahreseinkommen angehoben. Diese sozialhilferechtliche Einkommensgrenze kann aber nicht ohne weiteres auf das Unterhaltsrecht übertragen werden. Denn sie dient vor allem dem Schutz der öffentlichen Haushalte und soll weniger gut verdienende Kinder von ihrer Unterhaltspflicht befreien. Der Selbstbehalt im Elternunterhalt ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist dem Unterhaltspflichtigen ein individueller Betrag zu belassen, der sich aus einem Mindestselbstbehalt und einem Bruchteil des diesen Freibetrag übersteigenden Einkommens zusammensetzt. Und dabei ist von einem Mindestselbstbehalt von 2.000 EUR auszugehen, darüber hinausgehend soll dem Unterhaltspflichtigen ein angemessener Anteil seines Einkommens verbleiben.
Hinweis: Da wir in einer überalterten Gesellschaft leben, ist die Feststellung des BGH wichtig, dass Kinder mit hohem Einkommen ihrer Unterhaltspflicht nachkommen müssen. Dabei ist der Selbstbehalt im Elternunterhalt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.
Quelle: BGH, Beschl. v. 23.10.2024 - XII ZB 6/24(aus: Ausgabe 02/2025)
- Diskriminierung von Ehen: Sachliche Differenzierungsgründe bei sächsischem Kirchgeld nicht erkennbar
Eine Regelung des Sächsischen Kirchensteuergesetzes, die bis Ende 2015 in Kraft war, war verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt. Diese Regelung muss nun rückwirkend korrigiert werden, nachdem das sogenannte Kirchgeld von einer Klägerin erfolgreich auf den Prüfstand gestellt wurde.
In Sachsen wird Kirchgeld erhoben. Es basiert auf dem gemeinsamen Einkommen von Ehegatten, wenn einer der Partner keiner kirchensteuererhebenden Kirche angehört. Auf Lebenspartnerschaften wird diese Regelung nicht angewendet. Eingetragene Lebenspartner müssen also kein Kirchgeld entrichten. Demnach wird hier die Ehe schlechter gestellt, da Eheleute zur Zahlung herangezogen werden. 2001 wurde bundesgesetzlich das Institut der Lebenspartnerschaft eingeführt. Im Jahr 2013 wurden Ehegatten und Lebenspartner verfassungsrechtlich gleichgestellt. Die meisten Bundesländer änderten daraufhin ihre Kirchensteuergesetze, Sachsen aber erst ab September 2015. Eine Frau, die im Jahr 2014 und 2015 Kirchgeld zahlen musste, klagte dagegen und bekam Recht.
Die Ungleichbehandlung ist laut BVerfG nicht gerechtfertigt, da sowohl Ehe als auch Lebenspartnerschaft rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaften darstellen. Sachliche Differenzierungsgründe liegen nicht vor, da keine hinreichenden Gründe für eine Schlechterstellung der Ehe erkennbar sind. Der Landesgesetzgeber muss nun die festgestellte Verfassungswidrigkeit für die Jahre 2014 und 2015 bis zum 30.06.2025 rückwirkend korrigieren. Bis 31.12.2023 dürfe es hingegen bei der Altregelung verbleiben, da die Lebenspartner erst ab diesem Zeitpunkt das Ehegattensplitting wählen konnten.
Hinweis: Die Frau kann sich freuen, das Kirchgeld muss ihr nun zurückerstattet werden. Sachsens Kirchengesetzgeber ist nun in der Handlungspflicht.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 15.10.2024 - 2 BvL 6/19(aus: Ausgabe 02/2025)
- Kredit der Schwiegereltern: 250.000 EUR sind keine Gefälligkeitsleistung des täglichen Lebens
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft - das gilt auch im Verhältnis Schwiegereltern zu Schwiegerkindern. Über die Definition von Zuwendungen und Geschenken lässt sich aber trefflich streiten, vor allem im Ernstfall nach der Trennung von Kind und Schwiegerkind. Und genau das geschah im folgenden Fall, der vor dem Landgericht Frankfurt am Main (LG) landete.
Ein Schwiegersohn konnte sein geerbtes Wohnhaus aus eigenen Mitteln nicht halten. Die Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Die Schwiegereltern griffen ein, nahmen einen Kredit von 250.000 EUR auf und lösten damit die Restschuld ihres Schwiegersohns ab. Dieser sollte folglich Zinsen und Tilgung tragen. Nach einigen Jahren wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Kreditgeber jedoch geschieden, und der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen ein: Wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau könne er die Tilgung und Zinsen nicht mehr schultern. Die Schwiegereltern verlangten trotzdem die Zahlung des noch offenen Betrags von 190.000 EUR. Der Fall ging vor Gericht. Der Schwiegersohn war der Ansicht, dass er nicht zahlen müsse, da es sich um ein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern gehandelt habe. Schließlich hatten sie im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute den Kredit aufgenommen.
Mit dieser Argumentation drang er aber vor dem LG nicht durch. Man habe mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen. Im Familienverhältnis können natürlich durchaus Gefälligkeiten erfolgen. Bei der Gewährung eines derart hohen Betrags handelt es sich aber keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Das finanzielle Risiko für die Schwiegereltern war ganz erheblich. Nachdem diese den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.
Hinweis: Bei Geld hört die Freundschaft auf - auch in der Familie. Bewahren lässt sich das gute Verhältnis am besten, wenn man Geldgeschäfte auch in der Familie in einem schriftlichen detaillierten Vertrag niederlegt. Dann wissen alle Parteien, woran sie sind.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.11.2024 - 2-23 O 701/23(aus: Ausgabe 02/2025)
- Sorgerecht: Gefahrenprognose entscheidet über Schutzanspruch des Kindes
Können Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden, haben Kinder einen Anspruch auf den Schutz durch den Staat. Dieser Schutz durch den Staat endet laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) jedoch, sobald den Eltern eine positive Zukunftsprognose gestellt werden kann - und dies selbst bei einem verbleibenden Restrisiko.
Die Eltern waren mit ihrem vier Wochen alten Kind in einem Krankenhaus. Dort wurden Verletzungen festgestellt, die ein Schütteltrauma als Ursache vermuten ließen. Folglich wurde ein Sorgerechtsverfahren nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz eingeleitet. Das Familiengericht kam über ein Sachverständigengutachten zu der Überzeugung, dass das Kind zwei jeweils durch einen Elternteil verursachte, potentiell lebensgefährliche Schütteltraumata erlitten hat. Den Eltern wurden daher weite Teile des Sorgerechts entzogen - doch diese legten erfolgreich Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) ein.
Das OLG hob den Beschluss des Familiengerichts gegen Auflagen auf. Das Gericht konnte zwar das Risiko erneuter Verletzungen nicht ausschließen, kam aber trotzdem zu dem Schluss, dass eine dauerhafte Fremdunterbringung nicht erforderlich sei. Durch die Auflagen könne das Eintreten einer Überforderungssituation vermieden werden.
Der Verfahrensbeistand des Kindes richtete sich gegen diese Entscheidung mit einer Verfassungsbeschwerde an das BVerfG - und scheiterte. Kommt ein Gericht zu dem Schluss, dass eine Rückführung trotz anhaltender Gefahr stattzufinden hat, ist diese Entscheidung dann hinzunehmen, wenn eine vollständige Abwägung der widerstreitenden Interessen stattgefunden habe und die Entscheidung nachvollziehbar begründet werden könne.
Hinweis: Möchten Sie einen Rückführungsbeschluss angreifen, müssen Sie deutliche Wertungsfehler des rückführenden Gerichts herausarbeiten bzw. darlegen, dass das Kind einer erheblichen körperlichen und/oder seelischen Gefahr ausgesetzt ist.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 20.11.2024 - 1 BvR 1404/24(aus: Ausgabe 02/2025)
- Stiefkindadoption: Genetische Mutter wird durch Adoption des eigenen Kindes nicht diskriminiert
Lesbische Partnerinnen erfüllen sich den Kinderwunsch oft über eine anonyme Samenspende und eine Spende eines Eis der einen Frau, das wiederum ihrer Partnerin eingesetzt wird. In Deutschland muss bei einer solchen Konstellation die genetische Mutter ihr eigenes Kind adoptieren. Hiergegen klagten einige genetische Mütter wegen Diskriminierung bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Ein lesbisches Paar aus Deutschland lebt seit 2010 in einer eingetragenen Partnerschaft. Im Jahr 2013 brachte eine der Frauen einen Sohn zur Welt. Verwendet wurden eine anonyme Samenspende und die Eizelle ihrer Partnerin. Da diese Form der künstlichen Befruchtung in Deutschland nicht erlaubt war, reiste das Paar zur Befruchtung nach Belgien. Schließlich wurde nur die austragende Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen - die genetische Mutter musste das Kind adoptieren, um rechtlich als Elternteil anerkannt zu werden. Dies hielt das Paar für diskriminierend. Die genetische Mutter muss trotz eines fast vollständigen DNA-Matches ihr eigenes Kind adoptieren, was ihrer Ansicht nach eine Verletzung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention darstelle.
Der EGMR sah dies allerdings anders. Die Adoption durch die genetische Mutter sei keine wesentliche Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens. Die Notwendigkeit der Adoption erschwere den Alltag der Familien nicht erheblich. Unterschiede zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Elternpaaren sind nicht automatisch Diskriminierungen.
Hinweis: Der EGMR billigt den Staaten einen breiten Gestaltungsspielraum bei familienrechtlichen Fragen zu. Deshalb ist es folgerichtig, dass die Adoptionsnotwendigkeit nicht als diskriminierend eingestuft wird. Mittlerweile gibt es einen Gesetzesentwurf zur Reform des Abstammungsrechts, der das Adoptionserfordernis unnötig machen soll. Das Gesetzgebungsverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Quelle: EGMR, Urt. v. 12.11.2024 - 46808/16(aus: Ausgabe 02/2025)